Die Wiedertäufer

Als es mit den Fehden vorbei, fing die Reformationszeit an und bewegte fast noch mehr die Gemüter. Das Christentum glich nun einem Hühnervolk unter das ein Habich gestoßen; nach allen Seiten flog es auseinander. Unzählich waren die Sekten und Sektierer die nun der Menschheit den wahren Frieden bringen, und das innere Licht in ihnen entzünden wollten. Kaum hatte Thomas Münzer, der Zwickauer Prophet, den Anabaptismus ins Leben gerufen, da verbreitete er sich in den verschiedensten Formen über Europa, überall wurden Anhänger geworben und getauft. Gegner erstanden, Schlachten wurden geschlagen, Blut floß in Strömen, immer neue Arten von Anabaptisten erschienen auf dem Plan; zu den religiösen Bestrebungen gesellten sich revolutionäre. Aus Holland kam der Schneider Jan Bockold von Leyden mit einigen Anhängern als neuer Prophet nach Münster i. W. und warb in feurigen Ansprachen Gefolgschaft. Er fand an den beiden Bürgern Knipperdolling und Krechting fanatische Verehrer für die neue Lehre. Sie gründeten die Rotte von Münster und machten sich zu Herren der Stadt. Nach Zerstörung und Plünderung der Kirchen wurden zwölf Richter, wie in Israel über die Stämme, über die Stadt gesetzt und Schneider Bockold, als Jan von Leyden, zum König des neuen Zion ausgerufen und gekrönt. Im neuen Zion taufte man vom Morgen bis zum Abend. Das Volk drängte herbei, den Getauften waren die wildesten Ausschreitungen erlaubt, das zog. Endlich beschlossen die benachbarten Fürsten dem Unsinn in Münster ein Ende zu bereiten. Bischof Franz von Waldeck auf der Iburg zog mit einigen Bundesgenossen vor die Stadt und stürmte das neue Zion wenige Monate nach seiner Aufrichtung am 24. Juni 1535. Wehe, nun ging es den Propheten und Aposteln schlecht. Eine ganze Anzahl mußte gleich über die Klinge springen; König Jan, und seine beiden Statthalter, Knipperdolling und Krechting, wurden gefesselt mit auf die Iburg gebracht und gemeinsam an eine Kette geschmiedet im engen Verließ im Burgfried eingeschlossen. Über ein halbes Jahr saßen die drei unseligen Menschen in dem nur wenige G.viertmeter großen Raum, der noch dazu Dreieckform hatte, sodaß sie sich nicht einmal lang ausstrecken konnten. Krumm geschlossen kauerten sie in dem ensetzlichen Kerker, nur die Abendsonne drang durch einen Mauerspalt hoch über ihnen in das Gelaß. An Flucht war nicht zu denken, die meterhohen Mauern spotteten jeden Versuchs, einzig der Kuckucksruf vom nahen Langenberg drang schwach zu ihnen herüber, die Welt war für sie tot. Durch ein Loch in den schweren Eichentüren wurde ihnen Speise und Trank hineingeschoben, der Wärter hatte nicht einmal den Schlüssel, es war eine grausame Zeit. Im Januar 1536 wurde ihnen auf dem Richtplatz vor der Finkenpforte, wo unter den sieben Linden in den früheren Jahrhunderten so manche Hexe verbrannt und arme Sünder am Galgen geendet, der Prozeß gemacht - Folterung zu Tode, lautete ihr Urteil. In drei eisernen Käfigen wurden sie auf Eselkarren zum Schauplatz ihrer Tat gefahren und auf dem Prinzipalmarkt zu Münster aufgestellt. Jeder konnte sie anspeien und mit glühenden Zangen zwicken, niemand trat mehr für sie ein, ihre Zeit war dahin. - Als sie nach drei Tagen den letzten Hauch verröchelt, wurden die Käfige samt den Leichnamen oben am Lamberti Kirchturm zur ewigen Warnung aufgehangen, sie hängen dort noch heute; die Leiber fraßen die Dohlen, die Gebeine verwehten im Wind.

(Robert Hülsemann, in "Bad Iburg, Eine kleine Dokumentation", Bad Iburg 1984.)
Anmerkung: Robert Hülsemann lebte von 1868 - 1950, er ist Ehrenbürger der Stadt Bad Iburg.